Design trifft Nachhaltigkeit: Möbel aus Pilzmyzel, Algen & Co.

20.04.2025 | MAGAZIN

Design trifft Nachhaltigkeit: Möbel aus Pilzmyzel, Algen & Co.

20.04.2025 | MAGAZIN

Design trifft Nachhaltigkeit: Möbel aus Pilzmyzel, Algen & Co.

Nachhaltigkeit ist längst mehr als ein Trend – sie ist zu einem zentralen Leitgedanken für Architektur und Design geworden. Während Recycling und ressourcenschonende Fertigung mittlerweile zum Standard gehören, geht die Materialforschung im Möbeldesign einen Schritt weiter: Innovative Werkstoffe aus biologischen Quellen wie Pilzmyzel, Algen oder landwirtschaftlichen Reststoffen eröffnen neue Wege zu umweltfreundlichen, kompostierbaren und dennoch ästhetisch anspruchsvollen Möbeln. Diese Materialien vereinen ökologische Verantwortung mit gestalterischer Freiheit und verändern, wie wir über Einrichtung denken.

Die Zukunft wächst – natürliche Werkstoffe im Möbeldesign

Designer und Forscher arbeiten zunehmend mit biobasierten Materialien, die nicht aus fossilen Ressourcen gewonnen, sondern nachwachsend oder sogar züchtbar sind. Ziel ist es, Möbel zu schaffen, die am Ende ihres Lebenszyklus nicht entsorgt, sondern der Natur zurückgeführt werden können. Damit wird ein Konzept Realität, das man aus der Kreislaufwirtschaft kennt: Cradle to Cradle – vom Ursprung bis zur Wiedergeburt.

Diese Entwicklung ist Teil einer wachsenden Bewegung im nachhaltigen Design, die darauf abzielt, Produkte mit möglichst geringem ökologischen Fußabdruck herzustellen – regional, energiesparend und ohne Schadstoffe.

Möbel aus Pilzmyzel – natürlich gewachsen statt industriell gefertigt

Einer der faszinierendsten Ansätze ist die Verwendung von Pilzmyzel, dem Wurzelgeflecht von Pilzen. Dieses fein verästelte Netzwerk aus Hyphen dient in der Natur als Nährstoffsystem und kann in kontrollierter Umgebung zu einem festen, formbaren Material heranwachsen.

Das Myzel wird auf organischen Substraten wie Sägemehl, Hanfschäben oder Agrarresten gezüchtet. Innerhalb weniger Tage wächst es zu einer festen Struktur heran, die anschließend getrocknet wird. Das Ergebnis ist ein stabiler, leichter und biologisch abbaubarer Werkstoff, der sich zu Möbelplatten, Lampenschirmen oder sogar Sitzmöbeln formen lässt.

Das Material ähnelt in seiner Struktur Schaumstoff oder Kork, ist aber völlig natürlich und kompostierbar. Hersteller wie Mogu, MycoWorks oder Ecovative experimentieren bereits mit Myzel-Kompositen für den Innenausbau, Polsterungen oder Leuchten.

Ein großer Vorteil: Myzel wächst in jede gewünschte Form – ohne Abfall, ohne Energieintensität und ohne chemische Zusätze. Damit gilt es als eine der vielversprechendsten Alternativen zu Kunststoff und Schaumstoff im modernen Möbeldesign.

Algen – Design aus dem Meer

Auch Algen rücken immer stärker in den Fokus nachhaltiger Materialentwicklung. Die schnell wachsenden Wasserpflanzen benötigen weder Dünger noch Süßwasser und können CO₂ in großen Mengen binden – ein klarer ökologischer Vorteil.

Aus Algen lassen sich Biopolymere, Textilien und Schäume gewinnen, die in Form, Farbe und Beschaffenheit äußerst vielseitig sind. Besonders spannend ist die Kombination mit natürlichen Bindemitteln, die es ermöglicht, halbtransparente Oberflächen zu schaffen – ideal für Lampenschirme, Paneele oder dekorative Elemente.

Einige Designer nutzen getrocknete Algenblätter in Laminatstrukturen, andere gewinnen daraus Farbstoffe und Pigmente, die Möbeln und Textilien einen grünlich-goldenen Schimmer verleihen.

Die Haptik solcher Materialien erinnert an Leder oder Papier, wirkt aber überraschend robust. Zugleich sind Algenprodukte biologisch abbaubar und CO₂-neutral – eine nachhaltige Alternative zu erdölbasierten Kunststoffen.

Gräser, Hanf und Agrarreste – das Potenzial der Nebenprodukte

Neben Pilzen und Algen bieten auch landwirtschaftliche Reststoffe enormes Potenzial. Immer mehr Designer entdecken Materialien, die bisher als Abfall galten – etwa Stroh, Hanffasern, Reisschalen oder Kaffeesatz.

Diese Stoffe können mit natürlichen Harzen oder Myzel zu Platten, Polstern oder Formteilen gepresst werden. Sie sind leicht, stabil und zu 100 Prozent kompostierbar. Hersteller wie Organoids oder Honext entwickeln daraus Oberflächen mit natürlichen Duftstoffen, Strukturen und Mustern, die nicht nur nachhaltig, sondern auch sinnlich erfahrbar sind.

Hanf wird darüber hinaus als Füllmaterial oder Dämmstoff genutzt, während Gräser und Schilf eine interessante Alternative zu Furnieren darstellen. Ihr unregelmäßiges Faserbild verleiht jedem Möbelstück eine individuelle, handwerkliche Note.

Ästhetik und Emotion – Natürlichkeit als Designelement

Nachhaltige Materialien bringen nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch eine neue Ästhetik mit sich. Sie erzählen Geschichten von Herkunft, Wachstum und Veränderung – Eigenschaften, die industriell gefertigten Materialien oft fehlen.

Möbel aus Myzel oder Algen wirken organisch, sinnlich und lebendig. Ihre Oberflächen sind nicht makellos glatt, sondern von feiner Struktur – ein sichtbarer Hinweis auf ihren natürlichen Ursprung. Dieser Aspekt wird bewusst betont: Perfektion wird im nachhaltigen Design nicht angestrebt, sondern Authentizität und Charakter.

Der Trend geht damit Hand in Hand mit der wachsenden Wertschätzung für das Unvollkommene, wie man es aus der japanischen Wabi-Sabi-Philosophie kennt. Nachhaltigkeit wird hier nicht nur als Umweltaspekt verstanden, sondern als ästhetisches Prinzip, das die Verbindung zwischen Mensch, Material und Natur neu definiert.

Handwerk trifft Forschung – neue Allianzen im Designprozess

Die Entwicklung dieser neuen Materialien ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Design, Wissenschaft und Handwerk. Universitäten, Materiallabore und Start-ups arbeiten mit Möbelherstellern zusammen, um biobasierte Werkstoffe vom Prototyp zur Serienreife zu bringen.

Designer übernehmen dabei eine vermittelnde Rolle: Sie machen die Forschung sichtbar, übersetzen wissenschaftliche Erkenntnisse in emotionale und funktionale Produkte. So entstehen Stühle, Leuchten und Wandmodule, die zugleich zukunftsweisend und alltagstauglich sind.

Ein Beispiel: Der „Mycelium Chair“ von Philipp Ross oder das Projekt „Seaweed Stool“ von Studio Nienke Hoogvliet zeigen, wie experimentelles Materialdesign zu marktreifen Möbelstücken führen kann.

Herausforderungen und Chancen

Trotz der vielversprechenden Ansätze stehen biobasierte Materialien noch am Anfang einer breiten Markteinführung. Herausforderungen bestehen vor allem in der Skalierbarkeit, Haltbarkeit und Normierung. Materialien wie Myzel oder Algen sind empfindlicher gegenüber Feuchtigkeit und benötigen spezielle Produktionsbedingungen.

Doch die Forschung schreitet schnell voran. Neue Beschichtungen, Hybridstrukturen und Kombinationen mit recycelten Stoffen erhöhen die Stabilität und Alltagstauglichkeit. Mit wachsendem Bewusstsein für Klimaschutz und Ressourcenschonung wächst auch der Markt für nachhaltiges Design – die Nachfrage nach umweltfreundlichen Möbeln steigt kontinuierlich.

Zudem fördern viele Länder inzwischen Start-ups, die biobasierte Materialien entwickeln, über Förderprogramme und Forschungsnetzwerke. Dadurch entsteht ein Innovationsumfeld, das Design und Ökologie noch enger zusammenführt.

Vom Möbel zur Haltung

Möbel aus Pilzmyzel, Algen oder Agrarresten stehen nicht nur für eine neue Generation nachhaltiger Materialien, sondern auch für eine veränderte Haltung zum Wohnen und Konsum. Sie symbolisieren ein Bewusstsein, das über Funktion und Form hinausgeht – hin zu Verantwortung, Regionalität und Achtsamkeit.

Diese Möbel sollen nicht nur genutzt, sondern geschätzt werden. Sie fordern uns auf, die Herkunft unserer Einrichtung zu hinterfragen und Materialien als lebendige Partner im Alltag zu begreifen.

In einer Zeit, in der Umweltbewusstsein und Ästhetik zunehmend miteinander verschmelzen, zeigen diese Innovationen: Design kann wachsen, statt produziert zu werden.

So entsteht eine neue Form des Wohnens – organisch, verantwortungsvoll und zukunftsorientiert. Möbel aus Pilzmyzel, Algen & Co. sind nicht nur Vision, sondern ein Ausblick auf eine Designwelt, in der Nachhaltigkeit, Materialinnovation und Schönheit untrennbar miteinander verbunden sind.

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